Interview

Newsletter First bei der NZZ: Ein Interview über die E-Mail-Newsletter Strategie des Qualitätsblatts

Text: Céline Tykve, Juli 20, 2021

E-Mail-Newsletter galten einst als Low-Tech und unmodern. Nun erweisen sie sich für Verlage, die eine starke direkte Beziehung zum Publikum aufbauen möchten, als immer wertvoller. E-Mails können dazu beitragen, Gewohnheiten und Loyalität aufzubauen, indem sie Leser persönlich ansprechen und sie dort mit interessanten Themen abholen, wo sie sich bereits sowieso täglich aufhalten: in ihrem e-Mail-Postfach.

Diese Strategie hat zwei entscheidende Vorteile: Sind die Leser vom Newsletter-Inhalt überzeugt, können sie erstens zu zahlenden Abonnenten gewandelt werden. Zweitens können aber auch Abonnenten dazu gebracht werden, häufiger die Inhalte eines Medienhauses zu konsumieren - was grundlegend dazu führt, dass der Abonnent länger Kunde bleibt.

Da für viele die Abonnements während der Pandemie gestiegen sind, nutzen Verlage verstärkt E-Mails, um bestehende Abonnenten zu halten und neue Abonnenten zu gewinnen. Der Wandel hin zu E-Mail-Newslettern in der Branche war seismisch.

Warum? Was ist das Besondere an E-Mail-Newslettern?

E-Mails funktionieren auf halbem Weg zwischen Print und Digital. Wie Artikel in einer Zeitung können sie nach dem Senden nicht korrigiert, aktualisiert oder einfach geändert werden. Wie eine Zeitung auch, sind sie in sich abgeschlossen. Sie neigen dazu, ein eingeschränktes Layout zu verwenden, das neben Text möglicherweise einige Fotos, Gifs und Grafiken enthält, aber selten anspruchsvollere oder dynamischere Inhalte. Sie werden oft für ihre Einfachheit geschätzt, aber auch dafür, wie sie Journalismus für bestimmte Personengruppen persönlicher präsentieren können.

Da Verlage die Newsletter-Produkte intensivieren, haben die Verbraucher eine riesige Auswahl. Daher ist es wichtiger denn je, unverwechselbare Inhalte zu erstellen, die die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe erfüllen. Nachrichtenorganisationen wie die New York Times und die Washington Post bieten jeweils fast 70 verschiedene geplante Newsletter an, die die Arbeit verschiedener Bereiche der Nachrichtenredaktion vorstellen, darunter Wirtschaft, Technologie, Kultur und Sport. Viele haben auch „Pop-up“-Newsletter entwickelt, um eine große laufende Geschichte wie das Coronavirus oder die US-Präsidentschaftswahlen 2020 zu vertiefen (Quelle: Digital News Report).

Auch die NZZ hat heute bereits über 20 verschiedene Email Newsletter und bietet ihren Kunden und Abo-losen Lesern verschiedenste Formen von News-Briefings, kuratierten Themen und Kommentaren an und verzeichnet inzwischen über 1.3 Millionen Newsletter Abos.

Livingdocs ist für die Redaktion der Neuen Zürcher Zeitung das zentrale Tool der Inhaltserstellung und steht nun auch als Newsletter-Editor im Einsatz. Mehr Einblick in die Newsletter-Strategie der NZZ gibt uns in diesem Interview Alexander Mühlbach, Produktmanager App, Newsletter & Podcast.

Alexander Mühlbach, Produktmanager App, Newsletter & Podcast

Welche Rolle spielen diese Newsletter in der Gesamtstrategie der NZZ?

AM: Die NZZ möchte bis 2030 400’000 zahlende Abonnenten erreichen und Newsletter spielen dabei eine grosse strategische Rolle. Dabei setzen wir aktuell auf zwei Arten von Newslettern:

  1. 1. 

    Auf sogenannte Akquise-Newsletter, die hauptsächlich dazu da sind, neue Kunden zu gewinnen. Die rein redaktionell geschriebenen Newsletter sollen dabei potenzielle Leser durch ihre Inhalte von einem Abokauf überzeugen. Das klappt bereits ganz gut: 2020 sorgten das “NZZ Briefing” und “Der andere Blick” für 10% aller neuen Digital-Abonnenten.

  2. 2. 

    Setzen wir auf sogenannte Engagement-Newsletter, die hauptsächlich bereits bestehende Abonnenten ansprechen und diese mittels spannender Artikel auf die Webseite zurückführen. So soll den Abonnentinnen und Abonnenten immer wieder unser Mehrwert aufgezeigt werden - damit sie möglichst lange ein NZZ-Abo behalten.

Erst kürzlich hat die NZZ ihre Newsletter überarbeitet und vereinheitlicht. Was war dabei die Ausgangslage, was die Probleme und wie wurden diese angegangen?

AM: Vor einigen Monaten war es noch so, dass jeder Newsletter seine eigene technische Vorlage mit eigenen Designs und eigenen Möglichkeiten hatte. Sprich, es gab Newsletter, die konnten Hochkantbilder oder Autorenbilder einfügen, während das andere nicht konnten. Dies hatte zwei entscheidende Nachteile: 1) sah jeder Newsletter anders aus und 2) musste jeder Newsletter von der Technologie von Grund auf neu entwickelt werden. Einmal in Livingdocs für die Newsletter-Autoren und einmal in Salesforce, damit der Newsletter verschickt werden kann. Das machte uns sehr sehr langsam in der Entwicklung. Im Schnitt haben wir mehr als zwei Monate benötigt, um einen neuen Newsletter auf den Markt zu bringen.

Damit ist nun Schluss: In Salesforce haben wir ein zentrales Newsletter-Design-System aufgebaut, auf das jeder unserer 26 Newsletter zugreift. Nun sieht jeder Newsletter gleich aus und besitzt die gleichen Möglichkeiten. Zudem haben wir in Livingdocs zwei zentrale Newsletter-Vorlagen erstellt, aus der die Redaktion jeden erdenklichen Newsletter erstellen kann.

Sobald nun ein neuer Newsletter entwickelt wird, ist bereits das Design vorhanden, ebenso wie die dazugehörige Vorlage im Editor. Die Technologie muss sich in der Entwicklung nur noch um drei Sachen kümmern: den neuen Verteiler, einem neuen Anmelde-Optin und einer Absenderadresse. Damit sparen wir sehr viel Entwicklungszeit und Ressourcen.

Welches waren dabei die grössten, redaktionellen Veränderungen? Wurden dabei auch neue, interne Workflows etabliert?

AM: Für die Redaktion gab es keine grossartigen Veränderungen, da sie ihre Newsletter weiterhin aus Livingdocs heraus schreiben können. Jedoch haben sie einen grossen Vorteil erlangt: Sie sind flexibler in der Ausgestaltung ihres Newsletters geworden.

Früher war es den Redaktoren unmöglich den Newsletter inhaltlich abzuändern, weil dieser an einer fest programmierten Vorlage gebunden war. Dies wäre nur mit Hilfe der Technologie gegangen. Nun ist das kein Problem mehr: Die Redaktoren können sich den Newsletter aus dem Newsletter-Design-System per Drag und Drop in Livingdocs selbst zusammenbauen und immer wieder anpassen.

Wie funktioniert der interne Prozess für den Newsletter Versand?

AM: Die NZZ-Newsletter werden seit einigen Jahren aus der Salesforce Marketing-Cloud verschickt. Das Tool hat einige zentrale Vorteile, darunter unter anderem, dass wir dort alle Kundeninformationen gespeichert haben. So können wir unsere Leserinnen und Lesern in Newslettern namentlich ansprechen. Oder aber auch erkennen, wer bereits ein Abonnement hat und wer nicht, um gezielt im Newsletter Abo-Angebote an Nicht-Abonnenten auszuspielen.

Allerdings hat Salesforce einen entscheidenden Nachteil: Es hat keinen sonderlich einfachen und guten Newsletter-Editor. Man müsste fast jedem unserer über 30 Newsletter-Redaktoren HTML beibringen, damit sie einen Newsletter im richtigen Design schreiben können. Das können und wollen wir nicht leisten.

Deswegen haben wir uns dafür entschieden, dass Salesforce weiterhin unser zentrales Newsletter-Versandtool bleibt, Livindocs als Newsletter-Editor jedoch davor geschaltet wird. Unsere Redaktoren benutzen Livingdocs bereits täglich um Online-Artikel zu schreiben und finden sich darin sehr gut zurecht. Sobald sie mit dem Schreiben des Newsletters in Livingdocs fertig sind, klicken sie einfach auf Publizieren, woraufhin der Newsletter via Schnittstelle an Salesforce übermittelt wird. Von dort aus wird der Newsletter dann versendet.

Der Newsletter-Erstellprozess ist dadurch nicht nur kinderleicht, sondern bietet auch einen entscheidenden Vorteil: Wir können die Newsletter mit nur einem Klick zu einem Online-Artikel verwandeln und den Newsletter-Inhalt innerhalb von Sekunden auch auf der Webseite publizieren.

Welchen Einfluss hatten diese Veränderungen?

AM: Das grösste Ergebnis ist der Zeitgewinn in der Neuentwicklung von Newslettern. Wie vorher bereits erwähnt, haben wir früher mehr als zwei Monate für die Entwicklung eines Newsletters gebraucht. Jetzt brauchen wir nur noch sechs Stunden.

Die Opportunitätskosten für einen neuen Newsletter sind nun für uns bei der NZZ so gering, dass wir zukünftig mehr Themen-Newsletter ausprobieren können. Ob Olympia, Fussball-EM oder die nächste Pandemie - wir sind jetzt gerüstet.

Während sich die einzelnen E-Mail-Formate bestimmt im Laufe der Zeit noch weiterentwickeln, so ist die NZZ nun gewappnet für die Zukunft. Der Anstieg an publizistischen Newslettern und die gesteigerte Wichtigkeit und Akzeptanz des Formats zeigen, dass diese in einer Zeit der Informationsfülle immer wertvoller werden. Wir verfolgen den weiteren Wandel hier gespannt und bieten mit Livingdocs Verlagen eine Möglichkeit auch diesen Trend ohne zu adaptieren.